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Windenergie: keine Bürgerbefragung in Westerholt/Ostfriesland – Demo gegen Klüngel und Filz

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Ca. 50 Teilnehmer aus den umliegenden gemeinden protestierten gegen die Windkraftpolitik in der Samtgemeinde Holtriem/Westerholt im Landkreis Wittmund/NDS, Foto (C): Manfred Knake

Ca. 50 Teilnehmer aus den umliegenden Gemeinden protestierten gegen die Windkraftpolitik in der Samtgemeinde Holtriem/Westerholt im Landkreis Wittmund/NDS, Foto (C): Manfred Knake

Hinweis für die Nur-Überschriftenleser: Im mittleren Teil dieses Beitrages finden sie die Namen der Holtriemer Ratsmitglieder (mit Handelregisternummern), die an der Windkraft finanziell beteiligt sind.

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Schlafentzug ist eine beliebte Foltermethode, nicht nur in sog. „Schurkenstaaten“, sondern auch im angeblichen „Hort der Demokratie“, den USA. Schlafentzug wird auch ganz legal in Deutschland praktiziert, durch den Betrieb von lauten Windkraftanlagen, die aus betreiberökonomischen Gründen viel zu dicht an der Wohnbebauung genehmigt werden. Der tieffrequente Schall bestimmter Anlagentypen dringt hunderte Meter weit durch Dächer und Wände und wirkt direkt auf den Körper, sogar Vibrationen an den Häuserwänden sind zu spüren. An einen geregelten und erholsamen Schlaf ist nicht mehr zu denken. Anwohner berichten vermehrt über gravierende Schlaf- und Organstörungen, die auch Kinder belasten, die dann unausgeschlafen zur Schule erscheinen. Die Genehmigungsbehörden der Landkreise sitzen diese vorsätzliche Körperverletzung aus, sie verweisen auf die Lärmmessungen, die von den Investoren in Auftrag gegeben werden. Es handelt sich dabei um „Lärmprognosen“, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben müssen. Zahlreiche Einwendungen der Anwohner gegen weitere Anlagen und den zu erwartenden Lärm wurden vom Landkreis Wittmund zurückgewiesen, die öffentlichen Anhörungen der Einwender waren eine Farce.  Eigene Messungen von den Betroffenen, die auch den Körperschall erfassen und sich wesentlich von den herkömmlichen und kaum nachvollziehbaren Werten der Betreibergutachten unterscheiden, sind sehr teuer und können daher von den Anliegern kaum bezahlt werden.

In der Samtgemeinde Holtriem mit Sitz im ostfriesischen Westerholt/LK Wittmund hat man, so stand es auf einem Protestschild, die „Schnauze voll“ von der angeblich so umweltfreundlichen Windenergie.

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Ca. 50 Personen der umliegenden Ortschaften trafen sich zu einer spontanen Demonstration anlässlich einer Ratssitzung vor dem Rathaus der Gemeinde, um gegen die Weigerung des Samtgemeinderates zu protestieren, keine Bürgerbefragung zur Windkraftnutzung zuzulassen. Die meisten Ratsmitglieder, auch der Bürgermeister der Mitgliedsgemeinde Neuschoo und Landtagsabgeordnete Holger Heymann (SPD), der für das Amt des Landrats in Wittmund kandidieren will, gingen wortlos an der Demonstrantengruppe vorbei. Bereits im Juni 2015 bekamen die Ratsmitglieder Holtriems erheblichen „Wind von vorne“ auf einer Bürgerversammlung, die von der Initiative „Vernunftkraft.de“ organisiert worden war.

Landtagsabgeordneter und Bürgermeister von Neuschoo, Holger Heymann (SPD), ging mit schnellen Schritten an den Demonstranten vorbei. Foto (C): Manfred Knake

Der Landtagsabgeordnete und Bürgermeister von Neuschoo, Holger Heymann (SPD), ging mit schnellen Schritten an den Demonstranten vorbei. Foto (C): Manfred Knake

Eine Bürgerbefragung wird es auch in Zukunft nicht geben, beschloss der Samtgemeinderat dann schließlich auch auf der Sitzung, man müsse sonst mit kostspieligen Regressansprüchen des Investors rechnen.

Tatsächlich reichen die Anfänge der Planungen der nun kritisierten 10 weiteren Anlagen in der Mitgliedsgemeinde Ochtersum mindestens sechs neun Jahre zurück. Erst als die Investoren ihre stillen und heimlichen Landanpachtungen und -aufkäufe sowie die Überwegungsrechte in trockenen Tüchern hatten, beschloss der willfährige Samtgemeinderat in Holtriem die Flächennutzungspläne, passend für die örtlichen Betreiber.

Die Bekanntmachung erfolgte in einem kleinen Aushangkasten, aber nicht „rechtzeitig und umfassend“, wie es die Niedersächsische Kommunalverfassung als Kannbestimmung vorsieht. Jedes Grillfest im Dorf wird bunter und häufiger angekündigt, nur bei weitreichenden und millionenschweren Investitionen, die die Bürgerinnen und Bürger – auch in den Nachbargemeinden! – direkt betreffen, berufen sich die Kommunalpolitiker auf den unscheinbaren Aushangkasten. Damals, bei Beginn der Planungen durch den Investor, hätte man rechtzeitig eine Bürgerbefragung vor (!) dem Beschluss über den Flächennutzungsplan durchführen können. Und nun heißt es dreist: „Aus Gründen der Rechts- und Planungssicherheit (…) kann eine abwägungsfehlerfreie Änderung oder Aufhebung nicht begründet werden.“

In diesem Schaukasten in Ochtersum hingt die Bekanntmachung übetr die Windparkpläne kurzzeitig aus, istvdas die in der Kommunalverfassung stehende "rechtzeitige und umfassende" Information der Bevölkerung?

In diesem Schaukasten in Ochtersum hing die Bekanntmachung über die Windparkpläne kurzzeitig aus, ist das die in der Kommunalverfassung stehende „rechtzeitige und umfassende“ Information der Bevölkerung?

Die Planungsfläche in Ochtersum ist ein wertvoller Vogellebensraum und sollte laut – veraltetem – Landschaftsrahmenplan des Landkreises Wittmund als Wiesenvogellebensraum entwickelt werden. Nun wird die Fläche zum Windindustriegebiet.

Planungsfläche Ochtersum, Lebensraum von Wiesen- und Kornweihe, Rastgebiet von Gänsen und Bekassien. Hier sollte eigentlich ein Lebensraum für Wiesenvögel verbessert werden. Foto (C): Manfred Knake

Planungsfläche Ochtersum für zehn weitere Windkraftanlagen: Lebensraum von Wiesen- und Kornweihe, Rastgebiet von Gänsen und Bekassien. Hier sollte ursprünglich vom Landkreis Wittmund der Lebensraum für Wiesenvögel verbessert werden. Foto (C): Manfred Knake

So wird Kommunalpolitik stets gegen die betroffenen Bürger und nur für die Investoren gemacht. Mindestens zwölf Holtriemer Ratsmitglieder sind an Windkraftprojekten renditeorientiert in der Gemeinde laut Handelsregisterauszügen beteiligt und haben auch – sofern im Samtgemeinderat – bei früheren F-Plänen mit abgestimmt. Das ist in Niedersachsen sogar erlaubt, aber dennoch fragwürdig und eigentlich mit einem Geschmäckle versehen, sozusagen „legale Vorteilsnahme um die Ecke“, oder gar Bananenrepublik? Laut § 41 der Niedersächsischen Kommunalverfassung gilt ein Miwirkungsverbot nur bei einem „unmittelbarer“ Vorteil, die Bereitstellung von Flächennutzungsplänen für eine bestimmte Nutzung zählt nicht dazu, auch wenn das Ratsmitglied dadurch absehbar einen Vorteil erlangt. Im Rat werden also auch ganz andere Interessen vertreten als die des „Gemeinwohls“.

Roggenstede/Gemeinde Dornum/LK Aurich, die Nachbargemeinde von Hotriem, Foto: privat

Roggenstede/Gemeinde Dornum/LK Aurich, die Nachbargemeinde von Holtriem, Foto: privat

Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, S. 7, 14. Mai 2016

Dirks: „Hier hat keiner gegen Gesetze verstoßen“
WINDKRAFT Ratsherren weisen Behauptungen einiger Einwohner zurück – Keine Bürgerumfrage in der Samtgemeinde Holtriem […] SPD-Fraktionsvorsitzender Hinrich Möhlmann äußerte sich zu einigen Formulierungen in den Anträgen der Bürgerinitiativen: „Wir haben keine Windparks genehmigt, um daran selbst zu verdienen. Wer das behauptet, sollte Ross und Reiter nennen und Beweise bringen.“ Dazu ergänzte Dirks: „Hier hat kein Ratsherr gegen Gesetze verstoßen. Es ist rechtlich alles in Ordnung.“ Die vorhandenen Befangenheitsrichtlinien seien nicht zum Tragen gekommen.

Die von Holtriemer Ratsmitgliedern in der Presse beleidigt geforderte Nennung von „Ross und Reitern“ und die „Beweise“ für die finanzielle Verquickungen einiger Kommunalpolitiker mit der Windenergienutzung gibt es durchaus, die nachstehende Liste ist jedoch nicht vollständig, es liegen noch nicht alle  – kostenpflichtigen – Handelsregisterauszüge vor! Die damit verquickten Flächeneigentümer sind ebenfalls nicht vollständig bekannt. Die Höhe der Einlagen ist bekannt, wird aber hier nicht genannt:

Handelsregisterauszüge Amtsgericht Aurich HRA 200802 (An´t Oetjetief GmbH & Co.KG) und HRA 2369 (An´t Grotschloot GmbH & Co. KG), persönlich haftende Gesellschafter ist die „Windpark Norderland Naturstrom GmbH“ in Westerholt (HRB 1760). Kommanditisten aus der Kommunalpolitik in der Samtgemeinde Holtriem, die jeweilige Parteizugehörigkeit ist von der WebSeite der Kommune nicht zu entnehmen:

Mitgliedsgemeinde Eversmeer:
Johanne Brüling (verwandt mit den Investoren Eisenhauer und Böttcher)
Egon Kunze (SPD), Bürgermeister von Eversmeer. Kunze wird bei der E&B Beteiligungs GmbH (HRB 200748) als Geschäftsführer und Gesellschafter geführt. Die E&B ist eine Vermögensverwaltung der Windkraftinvestoren Eisenhauer und Böttcher (Norderland, mit Sitz in Westerholt). Kunze kandidiert 2016 für das Amt des Samtgemeindebürgermeisters in Holtriem.

Mitgliedsgemeinde Schweindorf:
Arno Dringenberg
Arnold Foken
Georg Goldhammer (ausgeschieden 2014, an Familienmitglied übertragen)
Gerhard Jochims

Mitgliedsgemeinde Utarp:
Jochen Ahrends (CDU), Harmine Bents (Bürgermeisterin SPD), Georg Goldenstein, Rolf Heyen, Helmut Janssen,

Mitgliedsgemeinde Westerholt:
Harm Poppen (CDU), der sich 2005 öffentlich vehement gegen die Hochspannungsleitungen der Offshore-Windparks wandte, aber den Ausbau der Windenergie in der Samtgemeinde Holtriem ebenso vehement unterstützte. Zitat aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 22.01.2005:„Er vergleicht die Trassen mit den ´Todesstreifen´ entlang der früheren innerdeutschen Grenze, ´Die Masten sind 70 Meter hoch und haben Seitenarme mit je 30 Metern. Man muss wohl einen Sicherheitsabstand halten.`“ Die neuen Windkraftanlagen in Holtriem sind fast dreimal so hoch und ohne „Sicherheitsabstand“ zur Wohnbebauung!

Mitglieder im Samtgemeinderat Holtriem, die über die Flächennutzungspläne zur Windkraftnutzung beschließen:
Jochen Ahrends (CDU), Egon Kunze (SPD), Harm Poppen (CDU), Harmine Bents (SPD)

Wie viele RAtsmitgleier Holtriems sind nicht mehr wählbar?

Wie viele Ratsmitglieder Holtriems sind nicht mehr wählbar?

Anlässlich des Neujahrsempfangs in der Gemeinde Eversmeer äußerte sich Bürgermeister Kunze in der Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ am 11. Januar 2016 so zur Windenergie: „[…] Am Rande der Veranstaltung sagte Kunze, dass Eversmeer in den vergangenen Jahren vor allem für „Windmühlenauswanderer“ aus den umliegenden Gemeinden interessant geworden sei. Schließlich gebe es in seiner Kommune mit dem Ewigen Meer ein Naturschutzgebiet, das den Bau der mittlerweile in der Bevölkerung umstrittenen Windmühlen rechtlich nicht zulasse. […]“ Im windkraftfreien Ort Eversmeer im Kolonatenweg Nr. 6 haben mindestens acht Windkraftbetreibergesellschaften ihren eingetragenen Sitz. Im Haus Nr. 6 wohnt Wichert Brüling, Schwager von Johanne Brüling, die Ratsmitglied in Eversmeer/Samtgemeinde Holtriem ist. Wichert Brüling ist Kommanditist einiger Betreibergesellschaften. Der Produktionsleiter der Herstellerfirma Enercon, Klaus Peters, wohnt praktischerweise auch in Westerholt und ist weitläufig mit einem der Investoren der „Norderland Naturstrom“ verwandt, sein Schwiegervater war bis 2007 Kämmerer der Samtgemeinde. Und noch ein prominenter Bürger aus dem einflussreichen politischen Establishment wohnt in Westerholt: Hermann Dinkla (CDU). Er war von 2008 bis 2013 Präsident des 16. Niedersächsischen Landtags. Vorher war er Samtgemeindebürgermeister von Holtriem und Mitglied des Wittmunder Kreistages. Er pflegte gute Kontakte zum Investor „Norderland“ aus Westerholt: http://www.dinkla.de/index.php?ka=1&ska=1&idn=63

"Schöner wohnen" in Utarp, Samtgemeinde Holtriem

„Schöner wohnen“ in Utarp, Samtgemeinde Holtriem? Foto (C): Manfred Knake

In Westerholt wohnte auch der Offshore-Windparkprojektierer Günther Eisenhauer, der im September 2015 unter bisher nicht ganz geklärten Umständen beim Absturz seines von ihm geflogenen Flugzeuges bei Könnern in Sachsen-Anhalt ums Leben kam. Günther Eisenhauer war der Bruder von Johann Eisenhauer, der Inhaber bzw.- Mitinhaber verschiedener Windkraftgesellschaften ist. Link: Der Spiegel, 1/2011: Windige Spekulation: Die Millionengeschäfte eines ostfriesischen Geschäftsmanns zeigen, welche Goldgräberstimmung in der jungen Branche herrscht.

Die Handelsregisterauszüge und die Kenntnis der verwandschaftlichen Beziehungen enthüllen ein dicht gewebtes und sonst unsichtbares Geflecht, das die Windkraftanlagen sprießen lässt wie Pilze aus einem Myzel. Nicht „Klima“ oder „Energiewende“ sind der Dünger, sondern Renditeerwartung – also der Profit -, stets am Bürger vorbei.

In der Samtgemeinde Holtriem stehen 75 Anlagen, 19 weitere sind geplant. In der Nachbargemeinde Dornum drehen sich ca. 120 Windkraftanlagen vom selben Auricher Hersteller, auch hier sind Ratsmitglieder und der Kämmerer an den Anlagen finanziell beteiligt. Die Gemeinde Dornum betreibt im Widerspruch zur Kommunalverfassung eine eigene Firma zur Erzeugung von Windstrom, die Wirtschaftsbetriebe Dornum GmbH & Co. KG. Im Nachbarort Holtgast stehen weitere ca. 50 Anlagen, auch mit familiären Verbindungen in den Gemeinderat.

Blick in die Gemeinde Dornum/LK Aurich, Foto (C): Manfred Knake

Unter die Windräder geraten: Blick in die Gemeinde Dornum/LK Aurich, Foto (C): Manfred Knake

Es gibt bereits große Bereiche in Ostfriesland, die wegen der Dichte der Windkraftanlagen für die Wohnnutzung nicht mehr geeignet sind. Ursache ist der scheinhonorige kommunale Selbstbedienungs-Sumpf, nicht nur in Ostfriesland, über den in den Zeitungen leider zu wenig berichtet wird! Aber es spricht sich herum und die Berichterstattung wird zunehmend kritischer.

Nachtrag 20. Mai 2016: Heute in der Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ äußerte sich der Ochtersumer Ortsbürgermeister Franz Pfaff vor der Beschlussfassung über den Bebauungsplan für den neuen Windpark in Ochtersum so:

„[…] Vor der Beschlussfassung wandte sich Pfaff an alle: „Wir wollen auch in Zukunft gemeinsam in Ruhe und in Beschaulichkeit weiterleben.“ Es sei Neuland „für uns alle“, doch: „Wir haben diese Sachen vor neun Jahren angeschoben und wollen das jetzt mit Norderland zu Ende bringen bis der Windpark 2017 in Betrieb geht.“ […]“

Seit neun Jahren wissen also die örtlichen Kommunalpolitiker von den Windparkplanungen und haben erst sehr spät die Einwohner darüber informiert. Mit der „Ruhe und Beschaulichkeit“ dürfte es für viele Einwohner demnächst vorbei sein.

Nachtrag 21. Mai 2016: Heute im „Anzeiger für Harlingerland“, letzter Satz im Beitrag auf Seite 7:

„Egon Kunze: „Ich bin der richtige Mann“
POLITIK SPD schickt 62-Jährigen ins Rennen zur Wahl des Holtriemer Samtgemeindebürgermeisters […] Zur Windenergie in Holtriem erklärt der SPD-Politiker: „Es reicht, das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“ Der Wattenrat informiert auf seiner Internetseite, dass Egon Kunze im Handelsregister des Amtsgerichts Aurich als Geschäftsführer und Gesellschafter bei der Beteiligungs GmbH eines Windparks geführt wird. Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Kunze, dass diese Beteiligung in der Abwicklung ist und er unmittelbar vor dem Ausstieg steht.“  


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